Eine große schwarze Spinne sitzt auf dem Rahmen der schweren Eisentür. Von ihrem Beisswerkzeug tropft Blut. Die großen Augen starren in den Raum hinein. An zwei Stöcken befestigt steht ein Banner mit der Aufschrift „STUD. SPINN – CLUB“.

Natürlich ist die Spinne nicht echt, sie besteht nur aus Farbe. Sie ist Teil eines Wandgemäldes in einem Kellerraum des Hauptgebäudes der Universität Bonn und eine kleine Kuriosität unter vielen, die der Untergrund zu bieten hat. Zusammen mit meiner Fotografin Juliet habe ich mich auf einen kleinen Abstecher in die Welt unter den Hörsälen und Bibliotheken der Alma Mater begeben.

Die Spinne an der Wand ist der erste Höhepunkt unserer Reise. Neben dem Gemälde, das sich über eine gesamte Wandseite erstreckt, ist der Raum voll mit alten Filmplakaten aus den Sechzigern und Siebzigern. Früher, so erfahren wir, gehörte dieser Raum dem Filmclub. „Wir haben versprochen, hier alles so zu lassen, wie es ist.“ klärt uns Dr. Becker von der Universität Bonn auf.

Dr. Thomas Becker ist Leiter des Archivs der Universität und promovierter Historiker mit einer Vorliebe für Hexen. Die Keller unter dem Hauptgebäude sind sein Reich. Im Laufe der Jahre wurden den Räumen unterschiedlichste Aufgaben zuteil. Seit zwei Jahren werden sie vom Universitätsarchiv verwaltet und als Lagerstätte für Dokumente, Karten und Fotos genutzt.

Softpornos im Filmclub

So ist auch nicht mehr viel übrig vom Filmclub im Keller. Der Raum ist nun vollgepackt mit Akten, Ordnern und noch mehr Akten. Als wir den Filmclub verlassen, fällt mir ein Plakat an der gegenüberliegenden Wand auf. Darauf ist eine nackte Frau abgebildet, deren Körper teilweise durch anatomische Bilder vom weiblichen Geschlechtsorgan verdeckt wird. Der Titel des Wandschmucks: „Variationen der Liebe. ABC der Erotik.“

„Darauf war man besonders stolz“, sagt Dr. Becker, als ich ihn auf das Plakat aufmerksam mache. „Während hier drüber in den Hörsälen die konservativen Professoren Theologie lehrten, schaute man im Filmclub Softpornos.“ An der Wand hängt nicht nur ein Plakat von „Variation der Liebe“, einem schwedischen Erotikfilm aus dem Jahre 1969. Auch der Film „Die Nichten der Frau Oberst“ aus dem Jahre 1968 ist hier verewigt.

Erstaunlich: Obwohl der Filmclub aus nur zwei Räumen besteht, verbringen wir mehr als eine halbe Stunde mit der Erkundung jeden Winkels. Dass die Studenten unsere Elterngeneration jede Woche hier gesessen und die neusten Filme geschaut haben, ist schwer vorstellbar. Nach dem Besuch des Filmclubs nimmt uns Dr. Becker mit in Richtung „Blaue Grotte“, die Innenhof und den seitlichen Eingang ('An der Schlosskirche') miteinander verbindet.

Was wir durchqueren, ist nur ein Teil der Gewölbe, die unter der Universität liegen. Unter dem Hauptgebäude sind die Keller wie ein Hufeisen angeordnet – mit der offenen Seite zum Hofgarten zeigend. Jedoch ziehen sich diese Räume bis zum Alten Zoll. Auch das Poppelsdorfer Schloss und das Akademische Kunstmuseum sind unterkellert. Diese Keller jedoch werden nicht vom Archiv der Universität Bonn genutzt und somit unterliegt ihre Aufsicht der Verwaltung der Universität.

Das Bonner Hogwarts

Eigentlich wollten wir die Ostseite der Keller gar nicht besuchen, da es zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, diese große Runde zu laufen. Dennoch gehen wir weiter in Richtung „Blaue Grotte“ und Südostseite der Universität. Vorbei an lange Rohrleitungen, alten Möbeln und modernen Stromkästen. Nach einer Mini-Unterführung bleiben wir stehen: vor uns stehen ein Tisch und zwei Stühle. Das erste Mal seit den Räumen des Filmclubs ist hier wieder ein Zeichen, das auf menschliche Anwesenheit schließen lässt. Natürlich kann unser Kellerführer auch zu diesem Konstrukt eine kleine Anekdote erzählen. So hat in diesem Keller einmal eine Sitzung eines Anglistik-Proseminars stattgefunden, „da der Keller so an Hogwarts erinnert“.

Genau wie Hogwarts hat auch das Hauptgebäude der Universität seine mystischen Seiten. Keine zwei Ecken weiter lernen wir das erste Mysterium des Kellers kennen: die Fluchttunnel. An der Wand vor uns lehnt eine alte Holzleiter, die in einen Schacht führt. Dieser Kriechgang beherbergt große Abflussrohre, doch es steckt noch mehr dahinter. „Dieser Kriechgang ist nicht mehr als einen Meter hoch und führt ins Nirgendwo. Es gibt mehrere solcher Gänge.“ Jedoch sind deren Verwendungszwecke nicht vollends geklärt. Das lässt natürlich Raum für Spekulationen.


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