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Seit Monaten campieren am Stuttgarter Hauptbahnhof bei Minusgraden und regelmäßigen Schneefall hunderte eiserne Protestler. Sie treten als Parkschützer gegen das umstrittene Bahnhofsbauprojekt „Stuttgart 21“ auf. Die Bewohner der Zeltgruppen und auf Baumkronen eingerichteten „Robin Wood“-Zelte sind Vertretern der Presse gegenüber nicht mehr so aufgeschlossen wie zu Beginn ihrer Demonstration. Von verschiedenen Medien fühlen sie sich vorgeführt und unverstanden. Dies erzählt mir eine der ehrenamtlichen Standbetreuerinnen an der Mahnwache gegen S21. Doch vor einer Abendandacht auf einer mit Schnee bedeckten Wiese kommt man schnell mit einigen Teilnehmenden ins Gespräch. Für sie ist es reine Schikane, dass zwei Polizisten die Andacht hinauszögern, indem sie die leitende Pfarrerin auf ihre Zulassung hin prüfen. ‚Jedes Mal ginge das so. Man könnte meinen, die Polizei hätte nichts Besseres zu tun‘, äußert einer der über hundert Teilnehmer seinen Unmut. Begleitet von einem Blasorchester fällt es einem aufgrund der spärlichen Beleuchtung durch Kerzen mitunter schwer, die verschiedenen Strophen von Psalmgebeten und Kirchenliedern anzustimmen. Eine Laternenbeleuchtung wurde den Bürgern bei den Andachten nicht gestattet. Den Schwierigkeiten und der eisigen Witterung zum Trotz beteiligen sich auch in der Abendstimmung erstaunlich viele Menschen an der Andacht. Die Pfarrerin erinnert ihre umstehende Gemeinde an mögliche Vorbilder, wie etwa Petra Kelly. Auch sie hätten durch ihr Engagement Entscheidungen langfristig umlenken können. Der Hoffnung, politische Verantwortungsträger durch Protest umzustimmen, wird in gemeinschaftlichen Gebeten Ausdruck gegeben. Der Planung des Durchfahrtsbahnhofs, der mit Stuttgart 21 von der Deutschen Bahn umgesetzt werden soll, ist für die Teilnehmenden unausgereift und irrsinnig. Unstimmigkeiten wurden im Vorfeld nicht bedacht. Angedachte Nachbesserungsmaßnahmen sind finanziell nicht tragbar. Mineralwasserquellen im Grundwasser würden durch den Bau von S21 bedroht. Eine Abschüssigkeit des Mehrebenenbahnhofs und andere Faktoren sind nicht behindertengerecht. Das Schloßgarten-Parkgelände samt zahlreicher, älterer Bäume würde beseitigt. Einige erfolgreiche Lokalitäten, wie etwa die kultige Party- und Konzertlocation "Die Röhre" im ehemaligen Lufschutzbunker, müssten umbaubedingt schließen. Eine hohe Störanfälligkeit des Tiefbahnhofs wurde nachgewiesen. Verantwortliche Politiker haben über 70.000 Unterschriften in einem Bürgerbegehren im Vorfeld ihrer Entscheidung unterschlagen, die bereits 2007 gegen den Durchfahrtsbahnhof eingereicht wurden. Diese hätten als gewichtige Meinungsäußerung des Volkes bei politischen Entscheidungen berücksichtigen werden müssen. Nun wohnt der Protest auf den Bäumen, die für den Kellerbahnhof gefällt werden sollen. Die Stuttgarter haben sich scheinbar solidarisiert. „Gegen Stuttgart 21“ Aufkleber und T-Shirts sind im Stadtbild überall präsent. Regelmäßig gibt es Montagsdemos, Parkführungen, Andachten und Konzerte gegen S21 am Stuttgarter Hauptbahnhof. Auch Filme und CD-Aufnahmen gegen das Bauprojekt sind mittlerweile käuflich erwerbbar. Die Bürger treten dabei für die Modernisierung des aktuellen Kopfbahnhofs ein. Sie stellen ihr Konzept eines modernisierten „Kopfbahnhofs 21“ Stuttgart 21 gegenüber. Entmündigungsversuch als Beschlichtigung Der über 80stündige, im Fernsehen übertragene, Schlichtungsversuch von Heiner Geißler ist für Protestierende ein Fake. Wenn Geißler trotz seiner Parteigenossenschaft als CDU-Pensionär zu einer Entscheidung gegen S21 gefunden hätte, würde diese von der Regierung wohl kaum berücksichtigt. So hat auch für die Protestierenden Geißlers Entscheidung zugunsten des Kellerbahnhofs S21 keine Verbindlichkeit. Immerhin hat Geißler einige Fakten, die gegen das Bahnhofsbauprojekt sprechen, erkannt und benannt. Seine Auflagen in Bezug auf Nachbesserungen sind jedoch fachlich fragwürdig und undurchführbar. Das Volk sieht sich durch den schlussendlichen ‚Geißler-Entscheid‘ entmündigt. Geißler hätte den Bürgerentscheid zu der Grundsatzfrage „S21 – Ja oder Nein“ einfordern müssen, den er jedoch als rechtlich unzulässig im Schlichterspruch lapidar ablehnte. Während der Andacht für K21 erinnert man sich an den schwarzen Donnerstag. Am 30.09.2010 wurde der friedliche Protest von Bürgern gegen S21 im Stuttgarter Schloßgarten durch die Polizei unter Aufgebot des Einsatzes von Wasserwerfern gewaltsam aufgelöst. Schulkinder u. a. erlitten Prellungen durch Polizisten, die mit schweren Rüstungen bepanzert waren. Aufgrund von fehlenden Absprachen durfte das Rote Kreuz nicht intervenieren. So mussten Protestler selbstständig Verletzte notversorgen und zu Mitarbeitern des Roten Kreuzes durchschleusen. Einer der Protestierenden verlor sein Augenlicht. Fotoausstellungen dokumentieren diesen brutalen Polizeieinsatz, wie etwa die schwarz-weiß farbige Foto-Mahn-Ausstellung "Black Waterside" von Zam Helga im Theaterhaus Stuttgart. Insgesamt schürt die lethargische Ignoranz der Regierenden dem Volksprotest gegenüber Wut. Es bleibt die Hoffnung, dass der Bahnhofsbau der Stadt zu teuer wird, da viele Unstimmigkeiten neu bedacht werden müssen. Mehr Infos findet ihr auch hier.
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