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"100 Jahre Odenwaldschule" steht auf einem Banner, eine Frau hält eine Rede über die pädagogischen Werte der Institution. Sie bedankt sich für den verliehenen Ehrenpreis und spricht von einer Schule, "die seit hundert Jahren weiß, wie Erziehung aussehen muss, die nur das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt". Drei Männer unterbrechen sie dabei jäh: "Diese Auszeichnung ist eine Lüge." Sie führen ein Plakat mit dem Gesicht eines Jungen mit sich, dessen Mund wegretuschiert wurde. Die ehemaligen Schüler, "Die Auserwählten" wollen Aufmerksamkeit erregen für ihre Geschichte. Der Film, gedreht an der Odenwaldschule selbst, arbeitet die abgründige Vergangenheit der Odenwaldschule auf. "Bewahrt vor den Übeln der Zivilisation" Die reformpädagogische Idee, die hinter der Gründung der Schule steckt, klingt lobenswert. Doch die Realität ist weit von einer liberalen Erziehung und einer individuellen Entwicklung der Kinder entfernt. Im Gegenteil: Sie ist von Unterdrückung und seelischer Verstümmelung geprägt. Mindestens 132 ehemalige Schüler zählen zu den Opfern von Missbrauchsfällen, die sich in den 70er und 80er Jahren an der Odenwaldschule ereigneten. Mehrere Lehrer, unter anderem der Schulleiter Gerold Becker, erwählen sie, eine besondere Rolle in ihrem Leben zu spielen, die keiner einnehmen möchte. Bereits Ende der 90er Jahre brechen die ersten Betroffenen ihr Schweigen. Die strafrechtliche Verfolgung wird jedoch aufgrund von Verjährung eingestellt. Eine mediale Aufarbeitung gelingt ab dem Jahr 2010. Mit dem Film "Die Auserwählten" möchte der Regisseur Christoph Röhl, der zwischen 1989 und 1991 selbst Tutor an der Odenwaldschule war, keine Nacherzählung schaffen. Es handelt sich um einen Spielfilm mit frei erfundenen Personen und Handlungssträngen, die lediglich vor dem Hintergrund tatsächlich stattgefundener Geschehnisse spielen. Das Bild des Pistorius Ulrich Tukur schafft in Anlehnung an den realen Schulleiter einen zwiespältigen Simon Pistorius, der auf einem schmalen Grad zwischen Sympathie und Abneigung, zwischen Überzeugungskraft und Abgründigkeit wandelt. Die Unterdrückung der Jungen wird erst vor dem Hintergrund des Vertrauens möglich, das ihm Lehrer und Eltern entgegenbringen. Beide Seiten stehen hinter ihm. Für den Zuschauer ist das nachvollziehbar, weil Tukur einen Pistorius entwirft, der nach außen hin ebenso pädagogisch ist, wie im Geheimen verdorben. Er verkauft seine Schule und deren Konzept begeistert und überzeugend, wodurch er sich der Unterstützung aller Beteiligten sicher sein kann. Niemand schöpft Verdacht. Ein Pistorius, der Kinder missbraucht und ein Pistorius, der das Vertrauen weckt - Ulrich Tukur vereint diese Gegensätze überzeugend. Er schafft ein authentisches Bild eines Vergewaltigers, der Intelligenz und Kontrolllosigkeit verbindet. Ein Funken Hoffnung Allein die neue Biologielehrerin Petra Grust, gespielt von Julia Jentsch, zieht aus den nach und nach bemerkten Auffälligkeiten die richtigen Rückschlüsse. Sie versucht sofort, an die Eltern und die Öffentlichkeit heranzutreten. An beiden Fronten erlebt sie bittere Rückschläge. Der Vater des Schülers Frank glaubt ihr nicht und schreibt ihr sogar einen schlechten Einfluss auf seinen Sohn zu. Der Zeitung fehlen die Beweise für einen Artikel. Die Lehrerin scheint in eine Sackgasse zu laufen, an deren Ende die Ohnmacht wartet. Die Auserwählten Verleih: Edel Germany GmbH Genre: Drama Regie: Christoph Röhl Darsteller: Ulrich Tukur, Julia Jentsch, Leon Seidel, Rainer Bock, Lena Stolze Beklemmung, die wach rüttelt In der letzten Szene des Films sitzt Pistorius als Pflegefall im Heim. Er blickt auf einen Bilderrahmen, gefüllt mit Bildern von Jungen. Die Kamera zoomt langsam heran. Jedes der Kinder lächelt und trotzdem wirkt jeder einzelne Blick verzweifelt und anschuldigend. Ein Film über Dinge, die nicht passieren dürfen. Ein Film über Geschehnisse, die man nicht für möglich hält. Ein Film, der dem Zuschauer auf erschreckend beklemmende und dadurch alarmierende Weise näher bringt, was ihm sonst so fern erscheint. Aber Missbrauch geschieht viel zu oft - statistisch gesehen ist ein Mädchen oder ein Junge in jeder Schulklasse betroffen. Die Opfer haben oft Angst zu reden, weil sie sich schämen - auch heute noch. "Die Auserwählten" sensibilisiert auf berührende und authentische Weise für ein Tabuthema.
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