Campus-Web Bewertung: 2,5/5
   
Ja ja, Filmanimationen können unglaublich erfolgreich sein, besonders wenn sie gut gemacht sind. Ende 2004 zeigte Robert Zemeckis allen, wie so was geht: sein „Polarexpress“, der erste komplett mit dem „Performance Capture“-Verfahren gedrehte Film, wurde immerhin für drei Oscars und einen Golden Globe nominiert, Hauptdarsteller Tom Hanks konnte immerhin einen Bambi mit nach Hause nehmen. In dieser Hinsicht also ein äußerst erfolgreicher Film. Nun legt Zemecki nach – und zwar mit viel Bombast. Seine Verfilmung des uralten Heldenepos „Beowulf“ setzt auf eine weiter verbesserte Technik und eine beachtliche Schauspielerriege. Reicht das aber für einen guten Film?

Diese Frage ist in der Tat sehr schwierig zu beantworten, nicht zuletzt aufgrund des „Performance Capturings“. Denn trotz einer hervorragenden Technik kommen viele Szenen immer noch sehr künstlich daher. Besonders Nahaufnahmen von Nebencharakteren oder der Schönheiten Wealthow (Robin Wright Penn) und Ursula (Alison Lohmann) offenbaren den Animationscharakter der Figuren, was gerade bei einem Actionspektakel doch etwas störend wirkt und die Illusion des Films zerstört. Auf der anderen Seite muss einfach auch lobend erwähnt werden, dass insbesondere Beowulf (Ray Winstone) und die Monster wirklich hervorragend gelungen sind. Nahaufnahmen des Heldengesichts sind von einem Detailreichtum, der fast vergessen lässt, dass es sich um computergenerierte Züge handelt. Und was Grendel (Crispin Glover) und dessen Mutter (Angelina Jolie) angeht, so hat man selten etwas Eindrucksvolleres im Kino gesehen.

So eindrucksvoll auch die Technik ist, so schlicht kommt die Story daher. Was aber gerade bei „Beowulf“, dem ersten bekannten altenglischen Epos, niemanden verwundern sollte. Denn die philosophischen und historischen Exkurse des Originals in eine Verfilmung mit einzubeziehen, ist ein vergeblicher Wunsch. In einfacher Sprache erzählt das Epos ansonsten die Geschichte des Helden Beowulf, der dem eisigen Reich des greisen Königs Hrothgar zu Hilfe eilt, das von dem Monster Grendel heimgesucht wird. In einem wilden Kampf besiegt er den Unhold und zieht sich so den Zorn von dessen dämonischer Mutter zu. Nachdem er auch sie scheinbar besiegt hat, ernennt Hrothgar Beowulf zum König. 50 Jahre später droht dem nun ergrauten Heldenkönig eine neue Herausforderung: ein mächtiger Drache, der das Land verwüstet.

Wie gesagt, eine sehr einfache, fast schon banale Geschichte, ähnlich der des Schlachtenopus „300“. Dabei hat an dem Drehbuch neben Roger Avary der großartige Neil Gaiman mitgearbeitet, dessen „Sternenwanderer“ zur Zeit in den deutschen Kinos zu sehen ist und der im „Dictionary of Literary Biography“ als einer der zehn bedeutendsten postmodernen Autoren geführt wird. Dieses Duo nahm sich des Epos an und füllte die dort vorhandenen logischen Lücken, fügte allerdings unnötigerweise einen doppelten ödipalen Vater-Mutter-Kind-Komplex der Superlative ein, der der Geschichte nur bedingt gut tut. Daneben wird die urwüchsige Gier des Menschen zum bestimmenden Handlungselement und gibt insbesondere Beowulf eine dunkle Seite. Dennoch obsiegt der martialische Charakter: „I am Beowulf“ klingt von Rhythmus und Lautstärke her nun mal genauso wie „This is Sparta“.
Infokasten: Performance Capturing
Bei dieser für „Beowulf“ maßgeblichen Technik werden Schauspieler in einen schwarzen Anzug gesteckt, der mit zahlreichen weißen Punkten beklebt ist. Bis zu vierzig Kameras in allen Ecken eines großen Raumes nehmen nun die Bewegungen der Schauspieler auf und übertragen die Daten in ein Computerprogramm, das ein 3D-Modell der Akteure erstellt. Das Modell kann anschließend beliebig verändert werden: nur so ist es zum Beispiel möglich, dass Crispin Glover das 3,5 Meter große Monster Grendel ohne große und behindernde Maskenbildnerei spielen kann. Oder das der 1,77 Meter große und nach eigener Aussage vollschlanke Ray Winstone zu einem muskelbepackten zwei Meter großen Wikinger mutiert.

Während jedoch „300“, trotz – oder beziehungsweise eher wegen – einer kompletten Computerüberarbeitung, ein graphisches (wenn schon nicht ein geschichtliches) Meisterwerk war, hinkt „Beowulf“ an den schon genannten Stellen leider hinterher. Auch wenn es „nur“ bei Nahaufnahmen von Nebenfiguren wirklich ins Auge springt, stört der Animationscharakter doch immens. Eigentlich schade, denn der Film hat vor allem in schauspielerischer Hinsicht deutlich mehr zu bieten als „300“. Besonders Robin Wright Penn, deren Figur vom technischen Standpunkt aus leider zu den Mängeln des Films zu rechnen ist, brilliert als von Emotionen zerrissene Frau. Die wahren Stars von „Beowulf“ sind jedoch eindeutig Grendel und seine Mutter. Hier zeigt sich die Stärke des „Performance Capturing“ – kein anderes Verfahren hätte es Crispin Glover ermöglicht, Grendel so gepeinigt, von Schmerzen verzerrt, darzustellen. Jede Bewegung des Schauspielers, seine gesamte feinfühlige Gestik, konnte mittels „Performance Capturing“ aufgenommen und auf Grendel projiziert werden.

Noch eindrucksvoller ist Angelina Jolie, die als dämonisch-verführerische Mutter Grendels jede ihrer Szenen dominiert. Nicht nur wegen der von ihr ausgehenden Erotik, die wahrscheinlich allein schon ausreichend sein wird, die Männer scharenweise in die Kinos zu treiben. Auch auf den ersten Blick unscheinbare Effekte wie die Bewegungen ihres schlangenartigen Zopfes sind wirklich faszinierend. Ihre Figur ist die Rächerin, Beschützerin, Zerstörerin und die wahre Macht hinter allem, was im Königreich vor sich geht.

Fazit: Wäre der Film in ein oder zwei Jahren herausgekommen, hätte er wahrscheinlich aufgrund seiner Effekte eine ganz ordentliche Punktzahl erreicht und nur Abzüge für die doch viel zu maue Story erhalten. Leider kommt er aber jetzt schon raus – zu einem Zeitpunkt, wo der von den Herstellern angepriesene Fotorealismus nur zum Teil zum Tragen kommt. Doch gerade bei dieser Art von Film ist eine versuchte aber stellenweise misslungene Illusion tödlich. Somit bleibt trotz hervorragender Schauspieler und einer an sich beeindruckenden Technik nur ein Platz im unteren Mittelfeld auf der Bewertungsskala. Schade eigentlich.

Kinostart: 15. November 2007.


Artikel drucken