Ideen haben viele. Gerade im Filmgeschäft. Nur wenigen gelingt es dort allerdings, ihre Ideen auch wirklich umzusetzen. Carsten Unger ist einer von denen, die es geschafft haben: die Dreharbeiten zu seinem Debutfilm "Bastard" laufen zur Zeit in Köln.

Auf der Darstellerliste finden sich große Namen des deutschen Films, allen voran Martina Gedeck, dann Hanns Zischler und Sibylle Canonica. Daneben spielt der Nachwuchs: Youngster Markus Krojer, Antonia Lingemann und Finn Kirschner. Produziert wird von Maranto Films GmbH und Gifted Films, der Südwestrundfunk coproduziert, und die Filmstiftung NRW, die MFG Baden-Württemberg sowie der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien fördern.

Carsten Unger hat also alles richtig gemacht. Und doch war es ein langer Weg bis zum Drehstart Anfang letzten Monats.

Der Stoff hat es in sich

Dabei nimmt sich die Story schon beim ersten Hinsehen auffallend interessant aus:
Der neunjährige Nikolas (Finn Kirschner) verschwindet, die Polizei befürchtet ein Sexualverbrechen. Doch die Fallanalytikerin Claudia Meinert (Martina Gedeck) zweifelt daran, denn die Eltern des Jungen verhalten sich widersprüchlich. Schließlich offenbart sich eine Verbindung zwischen ihnen und dem 13jährigen Leon (Markus Krojer). Er gesteht, Nikolas entführt zu haben. Nur verrät er nicht, wo er ihn gefangenhält. Und vor allem: er hüllt sich über sein Motiv in Schweigen.

Leon droht, Nikolas umzubringen, sollten dessen Eltern nicht für drei Tage "im Spiel" seine eigenen Eltern sein. Claudia Meinert muß nun in den Tagen dieses (scheinbar) makaberen Spiels Leons Vertrauen gewinnen, um sein Motiv zu entschlüsseln und Nikolas zu retten. Denn Leon ist nicht nur minderjährig, sondern damit auch juristisch gesehen schuldunfähig. Ein Umstand, um den der Junge nur zu genau weiß...

Kein klassischer "Entführungskrimi" also, sondern ein Psychothriller mit Tiefgang, der das Seelenleben eines heranwachsenden Jungen ergründet, der als Adoptivkind emotionale Kälte erfährt. Der Drang nach Liebe ist es, der ihn zum letzten Mittel zwingt, denn Nikolas genießt etwas, dessen er selbst bitter entbehren muß.

Dinge, die einfach erzählt werden müssen

Emotionale Schwindsucht grassiert auch hierzulande in viel zu vielen Familien, wenn wir einmal ehrlich sind. Und wir alle wissen um diesen "Zustand", der in den letzten Jahren seine schrecklichsten Folgen leider mehr als einmal offenbarte: Eltern, die ihre Kinder lediglich als Material ansehen, das nach utilitaristischen Effizienzkriterien zu bewerten ist, sei es in der Schule oder zu Hause.

Um so wichtiger ist es, daß nicht bloß Reportagen, Fernsehkrimis und oft genug minderbudgierte TV-Produktionen sich dieses Themas annehmen. Denn je tiefer das Psychogramm, je eindringlicher und facettenreicher das Bild, das da zur Enträtselung des Motivs eines scheinbar grundlos Hoffnungslosen gezeichnet wird, desto eher gelingt es, das Bewußtsein zu schärfen für die Hilflosigkeit, der sich Kinder gegenüber sehen; Kinder, die in einer mehr und mehr "entemotionalisierten" Welt nur noch "funktionieren" dürfen – und dadurch lernen, brutal zu sein.

Um so erfreulicher also, daß Carsten Unger es geschafft hat: Jahrelanges Klopfen an den Türen der Sponsoren, der mutige Glauben an den eigenen Stoff – das alles hat sich letztlich ausgezahlt. Ein deutliches Zeichen für all diejenigen, die sich ebenfalls nicht vor den Geschichten scheuen, die einfach erzählt werden müssen.

Denn es kann klappen! Und allein schon das geschlossene Bekenntnis der Stars, durch das Drehbuch wirklich herausgefordert worden zu sein, entschädigt für so einige lange Jahre des Wartens.

Freuen wir uns auf einen spannenden und intelligenten Debutfilm, der das Kinojahr 2011 ohne Frage bereichern wird!


Mehr zum Regisseur.

Artikel drucken