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Was ist Literatur? Was unterscheidet eine Kurzgeschichte von einem Kochrezept? Was bewirkt, dass wir in einem Text mehr lesen können, als nur die bloße Information und Feststellung über die Wirklichkeit, wie in der schlichten Ankündigung "Babyschuhe zu verkaufen“? Ernest Hemingway machte daraus eine Kurzgeschichte von nur wenigen Worten, indem er schrieb: "Babyschuhe zu verkaufen, nie getragen.“ Ein literarischer Text vermag mehr zu erzählen, als es den Wörtern einer Verpackungsbeilage gelingt. Kurt Drawert hat dem Geschriebenen ein Buch gewidmet. "Schreiben. Vom Leben der Texte“ ist eingeteilt in thematische "Lesungen“, in denen Drawert von der Untersuchung des literarischen Textes selbst als sprachliches Konstrukt bis hin zu Überlegungen über das, was einen Autor antreibt, auf die verschiedenen Aspekte des Schreibens eingeht. Die einzelnen Lesungen wiederum bestehen aus Unterpunkten, in denen Drawert seine Argumentationsfolge strukturiert, teils jedoch auch neue Gedanken einwirft, sodass es dem Leser bisweilen schwerfallen mag, ihm zu folgen. Kurt Drawert - Schreiben. Vom Leben der Texte Verlag: Beck Erschienen: 23. Okrober 2012 Genre: Wissenschaft ISBN: 978-3406639456 Bindung: Gebundene Ausgabe Preis: 19,95 Euro Direkt bestellen Eine fast wissenschaftliche Abhandlung Auch sprachlich drückt sich der vielfach ausgezeichnete Autor kompliziert aus. Bei Aussagen wie "Hinter der singulären Vollendung aber steht immer das unvollendete Ganze, der Megatext, vor dem und dem gegenüber es nur Fragmente gibt. Das Scheitern am Textunternehmen ist also immanent und unabdingbar. Der fertige Text wäre ein Palimpsest.“ muss man oft nicht nur Sätze zweimal lesen, sondern auch blättern. Die gedanklichen Abschweifungen des Autors erscheinen bisweilen nicht sehr leserfreundlich und erwecken ein wenig den Eindruck, er würde dem eigenen Anspruch, bei einem fertigen Text müsse alles unnötige ausgeschlossen worden sein, selbst nicht genügen. An anderen Stellen schafft es Drawert jedoch, mit ebendiesem eigenwilligen Stil zum Nachdenken anzuregen. Was in einer klareren, schlichteren Sprache nicht möglich wäre, gelingt somit: Kurt Drawert nähert sich der geschriebenen Sprache ebenso philosophisch wie wissenschaftlich, er legt nicht nur eine strukturierte Abhandlung über die verschiedenen Aspekte des Schreibens und des Geschriebenen vor, sondern schafft einen klugen Essay über die Literatur. Worte, die mehr zu sagen vermögen Der Autor stützt seine Überlegungen zu dem Geschriebenen auf wissenschaftliche Theorien der Sprach- und Literaturwissenschaft. So erläutert er streckenweise Theorien wie die de Saussures und Lacans, entwickelt die Gedankengänge weiter und wendet sie auf die Fragestellung nach dem Schreiben an. Allerdings setzt er dabei vieles bereits voraus und auch im Wortregister werden wissenschaftliche Begriffe leider nicht zureichend erklärt. Wer jedoch über Vorwissen verfügt oder bereit ist, gegebenenfalls anderswo nachzuschlagen, für den eröffnet Drawert eine interessante Fortführung der wissenschaftlichen Theorien zur Sprache und zur Literatur. Klug bedient er sich verschiedener theoretischer Ansätze und Erkenntnisse und verschafft dem Leser einen tieferen Einblick in das, was Sprache, Texte, was Literatur ausmacht. So erwächst aus de Saussures Zeichentheorie die Erkenntnis, dass ein literarischer Text mehr aussagt, als die Bedeutungen der einzelnen Wörter, wären diese auf sich allein gestellt, zulassen würden. Führt die Theorie Lacans zu einer Ahnung davon, was den Schreibenden in seinem Begehren nach etwas, das er nie ganz zu fassen vermag, dazu treibt, Literatur zu schaffen. Wird dem Leser deutlich, dass hinter dem sprachlichen Konstrukt eines Textes viel mehr steckt, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde. Kurt Drawerts Buch ist, so sperrig es auch verfasst sein mag, eine Liebeserklärung an die Sprache und an die Literatur in ihrer ganzen Vielschichtigkeit und ihrer Kraft.
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