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Die Verlagsbranche ist besonders für Geisteswissenschaftler ein attraktives Berufsfeld. Erstmals bietet die jüngst von Romy Fröhlich veröffentlichte Studie einen Überblick über die berufliche Situation und die Voraussetzungen beruflicher Karrieren im deutschen Buchhandel und Verlagswesen. Ihr zugrunde liegen Ergebnisse einer detaillierten quantitativen Befragung unter über 1200 Beschäftigten in der Verlags- und der Buchbranche. 87 Prozent der Befragten sind weiblich.Es wurden insgesamt nur 160 Männer befragt. Initiiert vom Branchen-Netzwerk BücherFrauen e.V. untersucht die Studie besonders das Geschlechterverhältnis in den verschiedenen beruflichen Bereichen und auf den Hierarchieebenen.

Vorgehen und Aufbau

Einleitend diskutiert die empirische Forschungsarbeit eine generelle Feminisierungstendenz in Medienberufen. Danach werden Ergebnisse aus vergleichbaren berufssoziologischen Forschungen herangezogen. Hier wird das Geschlechterverhältnis auf unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Berufsfeldern Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit/PR skizziert. Im Hauptteil werden das Erkenntnisinteresse und die Ergebnisse der Studie offen gelegt. Auf die Schlussbetrachtung folgen ab Seite 142 ein detailliertes Literaturverzeichnis und ab Seite 154 ein Anhang mit dem der Studie zugrundeliegenden Fragebogen. Aufgelockert wird das eher trockene Forschungswerk, bei dem viele Ergebnisse mehrfach herangezogen werden, durch zahlreiche übersichtliche Grafiken und Tabellen.

Die Buchhandels- und Verlagsbranche als hoch feminisierter Arbeitsmarkt

Waren Medienberufe früher männerdominiert, entwickeln sie sich heute nicht nur im Journalismus und in der Öffentlichkeitsarbeit zu frauendominierten Feldern. So sind laut repräsentativen Befragungen des Börsenvereins für den deutschen Buchhandel 83 Prozent der Mitarbeiter im Buchhandel und 56 Prozent der Beschäftigten in Buchverlagen weiblich. Fröhlichs empirischen Ergebnisse zeigen jedoch auf, dass die Mehrzahl der Frauen auf niedrigen Hierarchieebenen rangiert. In ihrer Studie haben nur 4 Prozent der weiblichen Befragten im Vergleich zu zehn Prozent der männlichen eine Position in der Unternehmensleitung inne. Nur 20 Prozent der Frauen bekleiden im Vergleich zu 36 Prozent der Männer eine Führungsposition im mittleren Management. Bei den Beschäftigungsverhältnissen ohne Leitungsfunktion dreht sich das Geschlechterverhältnis um: hier sind 46 Prozent der Frauen und nur 38 Prozent der Männer tätig. Während besonders promovierte Männer eher in den höheren Gehaltsgruppen rangieren, verteilen sich die meisten promovierten Frauen auf die eher niedrigen Einkommensgruppen.
Romy Fröhlich - Büchermenschen in Deutschland

Verlag: Lit Verlag
Genre: Empirische Forschung
Erschienen: 2011
ISBN: 9783643109408
Bindung: Broschiert
Seiten: 199
Preis: 19,90
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Verdienstmöglichkeiten

Mit Blick auf die vergleichsweise schlechten Verdienstmöglichkeiten in der Buchbranche, warnt Fröhlich vor negativen Tendenzen, die ihr zufolge für sich feminisierende Berufe typisch sind: „Prestige- und Statusverlust sowie allen voran ein Absinken des allgemeinen Gehalts- und Einkommensniveaus für alle Beschäftigten – Männer und Frauen.“ Obwohl siebzig Prozent der Befragten einen Studienabschluss haben oder sogar promoviert sind, fällt das durchschnittliche Brutto niedrig aus. Verdienen Geschäftsführer von Buchhandlungen durchschnittlich monatlich ~2.900 Euro brutto, liegt das Durchschnittsgehalt der Sortimenter in Buchhandlungen bei nur ~1.600 Euro. Während Verlagsleitungen durchschnittlich ~4.000 Euro im Monat brutto verdienen, erhält der Arbeitnehmer in der PR/ Pressearbeit im Verlag durchschnittlich nur ~2.200 Euro. Bemerkenswert ist auch, das freie Lektoren im Verlagswesen mit durchschnittlich ~1.800 Euro nur etwas mehr als die Hälfte des monatlichen Bruttoeinkommens von festangestellten Lektoren erhalten. In großen Betrieben sind die Verdienstmöglichkeiten wesentlich höher als in kleinen Betrieben. So arbeiten 46 Prozent der Befragten mit einem Monatsgehalt von unter 1.500 Euro in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern. In Unternehmen, in denen befragte Männer arbeiten, sind im Schnitt doppelt so viele Menschen beschäftigt wie in solchen, in denen die befragten Frauen arbeiten. In Branchensegmenten, in denen im Schnitt höhere Gehälter gezahlt werden, gibt es deutlichere Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern, als in Branchensegmenten, in denen das Gehaltsniveau vergleichsweise niedrig ist.

Arbeitszufriedenheit trotz Gender Pay Gap

Laut Fröhlichs Studie verdienen Frauen in der Verlags- und Buchbranche durchschnittlich 28 Prozent weniger als Männer. Dieser Wert liegt über den aktuellen durchschnittlichen Gehaltsgap zwischen den Geschlechtern in Deutschland von allgemein 23 Prozent. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2010 begründen Frauen ihr im Vergleich zu Männern niedriger angegebenes Wunschgehalt häufig mit niedrigeren Arbeitsleistungen im Zuge einer Doppelbelastung durch eine mögliche Mutterschaft und Familiengründung. Fröhlich hebt hervor, dass 72 Prozent der befragten Frauen ihrer Studie keine Kinder haben. Auch hinterfragt sie grundsätzlich, ob Babypausen einen Effekt auf das Gehalt rechtfertigen. Sie vermutet jedoch, dass viele Frauen aufgrund einer Familiengründungsphase den Aufstieg in Führungspositionen in der Buchbranche nicht schaffen. An dieser Stelle klagt sie: „Welch eine Verschwendung von Kapital, Menschen und deren Lebenszeit!“ Ein Aufstieg könnte Frauen aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen Sozialisation zu anstrengend weil kompetitiv sein, mutmaßt sie. Denn trotz der deutlich schlechteren Einkommenssituation der Frauen zeigt sich bei der „Arbeitszufriedenheit“ mit Bezug auf die Rolle des Kriteriums „Gehalt“ kein Unterschied zwischen den Geschlechtern. 60 Prozent der Teilnehmer sind mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Immerhin plant trotzdem jeder fünfte Befragte das Berufsfeld komplett zu verlassen.

Ein Plädoyer für die Quotierung in Führungsebenen

In ihrem Schlussplädoyer spricht sich Fröhlich zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit für die Einführung einer Frauenquote auf den Führungsebenen der Buchbranche aus. Sie legt zudem der Wirtschaft nahe, tatsächliche Rahmenbedingungen und Wirkungsweisen von Quotenvereinbarungen für die breite Öffentlichkeit verständlicher zu machen.
Aufgrund seiner rein wissenschaftlichen Ausrichtung ist der Band stellenweise eher leserunfreundlich. Mehrfach wird ausführlich darauf hingewiesen, dass die Studie nicht repräsentativ ist. Auch die geringe Beteiligung männlicher Befragter wird ausführlich diskutiert. Obwohl der Anspruch einer Repräsentativität nicht erhoben wird, werden die empirischen Forschungsergenisse und insbesondere das festgestellte Geschlechterungleichverhältnis überzeugend problematisiert. Insgesamt bietet die Studie auch unter gendertheoretischen Gesichtspunkten erstmals einen umfassenden und vergleichenden Überblick über einzelne Hierarchie- und Gehaltsebenen in der Buchbranche.

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