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Wozu eine weitere Biografie über David Bowie? Diese Frage brachte den Musikjournalisten Marc Spitz fast dazu, das Angebot des Verlags abzulehnen. Als Hardcore-Bowie-Fan wußte Spitz, wieviel bereits über den Pop- und Rockstar geschrieben worden ist. Außerdem hat sich seit 2003 nichts mehr an der Diskografie seines Idols geändert: David Bowie genießt einen ereignislosen Ruhestand. Wozu also eine weitere Biografie? Nur um den Gehaltsscheck einzustecken? Nein. Schuld ist wohl eher ein Wink des Schicksals: Nachdem Spitz das Angebot, Autor der neuen Biografie zu werden, eigentlich abgelehnt hatte, sah er nur wenige Minuten später David Bowie höchstpersönlich: Das Idol, beim Spaziergang in den Straßen von New York. Spitz verhielt sich wie ein vernunftbegabter, erwachsener Fan, nervte Bowie nicht mit Autogrammwünschen oder aufdringlichen Bekundungen seines Fantums. Nein, er sah sich den guten Mann ein wenig an, folgte ihm ein wenig und fand schließlich die Idee für sein Buch. Eine neue Herangehensweise an die Biografie: Wo findet man Bowies Spuren in der Gegenwart? Die märchenhafte Anekdote wäre ein guter Einstieg für zwei verschiedene Bücher. Erstmal für eines, das tatsächlich die Gegenwart des Musikgeschäfts untersucht und diese in Einzelfällen auf Bowies Errungenschaften zurückführen kann. Dann aber auch für eine sehr persönliche Geschichte darüber, wie ein Musikexperte Bowies Bedeutung nicht nur im Business, sondern auch im eigenen Privatleben findet. Ein solcher Ansatz wäre Elementen des Bowie-inspirierten Spielfilms "Velvet Goldmine" nicht unähnlich. Spitz greift tatsächlich beide Ansätze auf – jedoch nur als schmückendes Beiwerk. Im Kern versucht er sich an der handelsüblichen Biografie, wie sie tatsächlich schon öfters geschrieben wurde: Eltern, Kindheit, Jugend, erste Bands, Beginn der "offiziellen" Karriere, Durchbruch. Dann Alben und Touren sowie einschneidende Erlebnisse im Privatleben. He's in the bestselling show Marc Spitz – David Bowie: Die Biografie Verlag: Edel Erschienen: 12. Septemberg 2010 Genre: Biografie ISBN: 978-3941378872 Bindung: Hardcover Seiten: 650 Preis: 29,95 Direkt bestellen Bei David Bowie gibt es da tatsächlich einiges zu berichten. Schon die Zeit, die er noch unter seinem bürgerlichen Namen David Jones verbrachte, zeichnet ein interessantes Bild. Der schüchterne Junge, der genau weiß, dass er im Rampenlicht stehen möchte, wobei er schnell begreift, dass er sich dazu zur Kunstfigur entwickeln muss. So erreicht er schließlich den Erfolg – durch berechneten Skandal. Geschickt positioniert sich Bowie in einer Musikbranche, in der Bisexualität nicht nur zum Alltag der Macher gehört, sondern wie jeglicher Tabubruch das Publikum begeistert. Auch Bowies Karriere nach dem Durchbruch wird im Detail beleuchtet, wodurch ein Leser ohne Vorkenntnisse den Lebensweg gut nachvollziehen kann. Allerdings fehlt – zum Leidwesen des Fans, der gerne Neues über sein Idol hören würde – oft der tiefere Einblick. Kein Wunder, schließlich konnte Spitz den Musiker nicht selbst sprechen. Bowie hatte mit dem Buch nichts zu tun, vermutlich auch deshalb, weil er sein Leben momentan selbst in einer Reihe von Büchern aufbereiten möchte ("Bowie: Object", der erste Band, wurde 2010 auf der Frankfurter Buchmesse angekündigt). So bleiben Spitz nur bereits veröffentlichte Interviews und ähnliche Quellen sowie einige Gespräche mit Verwandten und Weggefährten. Als wahrer Fan kann er Bowies Genie so oft nur durch seine eigene Wahrnehmung erklären. Viel zu selten findet er dabei zur Selbstironie, nie zur Selbsterkenntnis: Zum Beispiel gibt Spitz nebenbei zu, dass er seine Meinung zur "Glass Spider"-Tour in den späten Achtzigern inzwischen relativiert habe. Von Kritikern und vielen Fans als kreativer Reinfall und somit als krönende Beigabe nach einer Serie mittelmäßiger Alben angesehen, hatte der Hardcore-Fan Spitz damals natürlich in vorderster Reihe gejubelt. Heute stimmt der Journalist Spitz der Kritik überwiegend zu – aber scheinbar nur, weil einer seiner Chefredakteure ihn auf seinen Mangel an Objektivität hingewiesen hat. I am stuck with a valuable friend Doch warum sollte ein wahrer Fan objektiv an die Materie herangehen? Denkt auch Spitz und beschließt manche Kapitel mit Episoden aus dem eigenen Leben. Wie er und eine Seelenverwandte zu Studienzeiten ihr Leben nach Bowie-Alben ausrichteten, wie er die Verwandtschaft beim Thanksgiving-Essen mit einer Analyse seines ersten homoerotischen Kusses schocken wollte und wie er nach der Premiere des "Let's Dance"-Videos seine Haare blondiert hat. Ein Versuch, der im Desaster endete. Der richtige Stoff für ein gutes Buch mit dem Titel: "Wie ich meinen inneren Bowie fand". In einer Biografie des Stars entlarvt sich der Autor dagegen nur als Selbstdarsteller, der die Diskografie lieber nach eigenem Geschmack rezensiert, als alle Hintergründe ihrer Entstehung aufzudecken. So erfährt man etwa nicht, dass das als größeres Projekt angelegte "Outside" in den Neunzigern nach dem ersten Album abgebrochen wurde. Dafür gibt's viele Informationen zur folgenden Tour mit den Nine Inch Nails, vermutlich, weil sie Spitz so gut gefallen hat. Mager fällt hingegen auch der Erkenntniswert der Einblicke aus. Was bringen Enthüllungen, welche Geschäfte sich aktuell in den Gebäuden aus Bowies Jugendzeit befinden? Offenbart die Tatsache, dass Bowie seinen "Ruhestand" für Live-Auftritte mit Arcade Fire kurzzeitig verlassen hat nicht einfach nur, dass Bowie Arcade Fire mag? Wenn dann noch das Regiedebüt von Bowies Sohn Duncan Jones (der Sci-Fi-Film "Moon" aus dem Jahr 2009) größere Aufmerksamkeit erhält, erahnt man eine Antwort auf die Ausgangsfrage der Biografie: Wo befindet sich David Bowie in der Gegenwart? In den Köpfen und Herzen der Fans. Sonst macht er nicht mehr viel. Vielleicht sitzt er daheim, hört die neue Arcade Fire-Platte und liest ein Buch. Vielleicht dieses. Und vorsichtshalber schreibt Spitz auch einen Gruß in den Epilog: Hear this, David Jones, I wrote a book for you. Ein Buch für ihn, für sich selber und wahrscheinlich erst in dritter Instanz für den Rest der Welt. Musik ist eben ein sehr persönliches Erlebnis.
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